Das Brandmal Zusammenfassung

Nachdem sich ihre Schauspielgruppe in Münster aufgelöst hat, reist die Protagonistin (ihren Namen „Dagny“ erfahren wir erst später) völlig mittellos mit nur 42 Pfennigen in der Tasche nach Köln.

Sie ist 22 Jahre alt.

Als arbeitslose Schauspielerin befindet sich Dagny in einer ausweglosen Situation. Sie ist mittellos und hat zunächst Angst, jemandem Geld schuldig zu bleiben. Sie möchte lieber sterben als das.

Die Arbeitslosigkeit und die Geldnot stigmatisieren die Frau und lassen sämtliche sozialen Kontakte zu einem Problem werden, weil Dagny auch immer versucht, darüber hinwegzutäuschen.

 

Als erstes betritt sie den Kölner Dom, der ja direkt am Hauptbahnhof steht.

Sie ist damals äußerlich schon abgerissen: ein Loch in ihrer Jackentasche hat sie mit einer Stecknadel gesichert und von ihrem grauen Kleid hat sich das Saumband gelöst.

 

Nach dem Gebet zum heiligen Aloysius geht sie ins Café  „Ewige Lampe“.

Dort fühlt sie sich beobachtet und versucht den Schein zu wahren. Sie holt sich Zeitungen, damit sie wie eine Gelehrte wirkt. Dagny liest die Wohnungs- und Stellenanzeigen, aber nicht die einfachste Tätigkeit sagt ihr zu. Dagny hat zwei Tassen Kaffee getrunken, die sie nicht zahlen kann. Sie sucht nach einer Möglichkeit aus der Situation etwa durch eine Ohnmacht oder gar durch Selbstmord.

 

Aus der vermeintlich ausweglosen Situation „rettet“ sie ihr früherer Schauspielkollege Titus Maschke, der plötzlich das Lokal betritt. Er nennt sie „Jessy“ und bezahlt ihre Rechnung. Er geht mit „Jessy“ zum Rheinufer, wo er zudringlich wird.

Titus schickt „Jessy“ schließlich auch zum „Café Pütschenbach“, einem Bordell, wo sie jemanden finden würde, der sich ihrer annimmt. Titus hat ja schon seine Freundin, die er beschützen muss - Titus ist ein Zuhälter.

Ihren ersten Freier im Café Pütschenbach betrachtet Dagny ganz genau und versucht an seiner Gestalt etwas Schönes zu finden.

Dagny möchte sich zu diesem Zeitpunkt nicht prostituieren, doch erwacht sie plötzlich wie aus einer Trance und hält ein Geldstück in der Hand. Das verdiente Geld sieht sie als „Zeichen der Verwahrlosung“.

Dagny stumpft ab. Die schmerzhaftesten Augenblicke entziehen sich ihrem Gedächtnis, soll heißen: sie verdrängt und gibt sich für Geld hin.

Sie verkauft ihren Körper und als Teil ihres Körpers schließlich auch ihre Haare, was auch ein Akt der Prostitution ist. Dagny ist nicht in der Position zu verhandeln und nimmt, was der Friseur ihr gibt. „Haare wachsen lassen“ ist allerdings kein Beruf und somit keine dauerhafte Einnahmequelle.

 

Dagny ist obdachlos und verwahrlost immer mehr. Sie sammelt die Rest von auf der Strasse gegessenen Erdbeeren auf und mietet hin und wieder Zimmer an, aus denen sie dann ohne zu bezahlen wieder verschwindet. Dagny verkauft ihre Kleidung, ihre Schuhe und Strümpfe sind kaputt.

Als sie einen Kamm findet, bemüht sie sich, sich herzurichten und sich bei einem Herrn, der für Hotel- und Wirtschaftspersonal zuständig ist, vorzustellen.

Schließlich soll sie sich als Kellnerin in einem Weinlokal bewerben. Dort wird sie als Animierdame eingestellt und muss sich dort ihre „moralischen Anwandlungen“ wegtrinken und sich dann den Männern zuwenden.

Dagny ist der Job zuwider (schließlich muss sie sich auch an einen werdenden Vater „ranmachen“), doch ihrer Zimmerwirtin zuliebe, wird sie die Animierkneipe wieder aufsuchen.

Als sie Schulden, die sie bei der Kneipenwirtin hat, abgearbeitet hat, wird sie auf eine Annonce in der Zeitung, die bis zu 20 Mark täglich zu verdienen verspricht, aufmerksam und wird schließlich Vertreterin für Desinfektionsapparate – sie wird Hausiererin und „dreht“ den Leuten ihre Ware an.

 

Dagny kauft bei einem Straßenhändler das Buch „Raskolnikow“ (= „Schuld & Sühne“ von Dostojewski).

Ein weiteres Buch, was sie interessiert ist ein „Psalter“, in dem sie immer blättert. Sie kann sich nicht entschließen das Buch für 20 Pfennige zu kaufen, denkt aber darüber nach „Die Goldmacherkunst“ für 80 Pfennige zu kaufen und schämt sich schließlich für die Untreue.

Sie kann den Verkauf der Desinfektionstafeln nicht länger vertreten, weil das Produkt sie krank macht und sie nicht länger lügen möchte (sie lügt auch ihre Mutter an, indem sie ihr schreibt, dass sie gute Engagements hat).

Nun steht sie wieder da: ohne Beruf.

 

Auf der Strasse wird sie von der Prostituierten Djemma erkannt und wundert sich darüber, dass man ihr diesen Beruf ansieht.

Von Djemma erhält sie die ersten Ratschläge, um das Leben als Prostituierte besser ertragen zu können. Einerseits soll sie mehr Praxis bekommen, andererseits soll sie sich unempfindlich machen. So souverän sich Djemma auch gibt, so verletzlich ist auch sie. Das Leben, welches sie führt ist hart, und sie weiß das. Dagny muss noch lernen damit umzugehen, Djemma hat sich das schon mehr zu Recht gelegt.

Dagny entgegnet Djemma, dass es gerade die Praxis ist, die sie so sehr verletzt. Vielleicht findet sie sich deshalb in der nächsten Szene auch direkt vor dem Dom wieder. Sie setzt sich auf die Stufen und beobachtet die Gläubigen die zur Sonntagsmesse kommen. Gleichzeitig stellt sie fest, wie zerschlissen ihre Kleider sind. Eine alte Dame, die in den Dom will, erweckt den Eindruck ihr Geld geben zu wollen. Dagny blockt diesen Versuch aber ab. Sie erträgt das Leben als Prostituierte nicht, eine Bettlerin will sie aber auch nicht sein.

Vielleicht hätte sie diese Hilfe annehmen sollen, dann hätte sie die folgende Erfahrung vermeiden können. Sie wird von einem Mann angesprochen und zu einem Schoppen und Essen eingeladen. Der Mann ist sehr gönnerhaft, nennt sie ständig „Kleine“. Sie geht später mit ihm mit in ein Stundenhotel. Der Mann lässt sie einfach zurück ohne sie zu bezahlen, aber sie wartet darauf, dass er kommt und sie bezahlen wird. Aus der Situation wird sie erst von der Wirtin befreit, die ihr klar macht, dass der Mann weg ist.

 

Sie lernt daraus, immer Vorkasse zu verlangen. Überhaupt ist Dagny leicht naiv und kann schlecht „nein“ sagen. Geld verleiht sie ohne Nachfragen an ihre Kolleginnen.

Durch diese Eigenschaft wird sie zur Retterin der Prostituierten Henny, die sie im Haus von Frau Schneider kennen lernt, die angeblich ein Mädchenpensionat führt. Frau Schneider lebt von der Zimmervermietung, die Mädchen wohnen dort, die Männer können sie dort aufsuchen.

Henny nimmt eine Stelle als Buchhalterin an, sie verliert sie aber wieder als ihr „Freund“ (der Zuhälter) dem Arbeitgeber sagt „was für eine“ er angestellt hat. Da man Frau Schneider im Voraus bezahlen muss, hat jedes Mädchen Schulden bei ihr, die abgearbeitet werden müssen. Dagny überlegt die Schulden für Henny zu übernehmen. Djemma, mit der sie darüber spricht, ist nicht dazu bereit, weil sie nicht glaubt, dass Henny das durch normale Arbeit verdienen kann. Dagny begnügt sich damit, dass sie glaubt, dass Henny sie nicht enttäuschen wird. Sie will ihr helfen und darf bei Frau Schneider die Schulden übernehmen.

 

Das Leben als Prostituierte lässt Dagny verkümmern. Sie spürt ihren Verfall, kann sich aber noch immer einreden, dass es andere Prostituierte gibt, denen es noch viel schlechter geht. Sie schleicht Jette nach, das ist eine Prostituierte, die alt geworden ist und als eine Art lebendige Leiche durch die Gegend läuft.

Die Abgrenzung von Jette gibt ihr Kraft. Jette ist eine Warnung, was den Frauen droht, die keinen Plan für das Alter haben. Dennoch schöpft Dagny aus Jettes Gestalt Kraft und lässt sie an einen Ausweg aus diesem Leben denken.

Hennys Beispiel aber hat ihr gezeigt, dass das nicht so einfach ist, aus dem Mileu auszusteigen. Außerdem hat sie niemanden, der ihr so selbstlos helfen wird, wie sie Henny geholfen hat. Sie gerät sogar in die Gefahr noch stärker an das Leben als Prostituierte gebunden zu werden. Hennys Zuhälter Schlüter müsste nur noch Zugreifen, dann hätte er Dagny in der Hand, denn die ist merkwürdig fasziniert von ihm ist. Aber er greift nicht zu und Dagny entgeht der Zuhälterei.

 

Dagny sieht sich nach einer Stelle um, lässt aber die erste, sich ihr bietende, Gelegenheit verstreichen.

Die innere Loslösung, die sie bereits erwähnt hat, hat begonnen, auch wenn sie noch zu sehr von der Angst berührt wird, sich aus ihrer Klasse zu entfernen. Wenn sie zu unvorsichtig ist, geht es ihr vielleicht wie Henny. Wenn ihr Ausreißversuch erwischt wird, ist sie unter den Prostituierten eine Ausgestoßene, gleichzeitig hat sie aber auch keine Möglichkeit den Weg zurück in die bürgerliche Gesellschaft zu finden. Der Ausstieg stellt sich als gefährliche Gratwanderung dar.

Dagny resigniert leicht. Sie lässt sich von Ärzten untersuchen und wünscht sich die Diagnose ihres baldigen Todes zu hören. Die erhält sie aber nicht, denn ihr Körper ist völlig gesund, es ist ihre Seele, die krank ist.

 

Schließlich packt Daggy eine Wendung und traut sich, sich bei einem Theater vorzustellen. Sie hat ihre gesamte Geschichte erzählt und ist engagiert worden. Sie tritt in der Burleske ‚Köln bei Nacht‘ auf, einem Stück, das in rheinischem Dialekt gespielt wird. Glücklich ist sie damit aber auch nicht, sie glaubt, für das Geld, das ihr gezahlt wird, nichts zu leisten.

Sie denkt nicht nur, nichts zu leisten, sie ist auch noch der Meinung ein Verbrechen am Publikum zu begehen, weil sie dieses seichte Zeug spielt. Es wäre eigentlich die Aufgabe der Kunst dem Publikum Gutes zu zeigen und es auch in diese Richtung zu erziehen. Aber das passiert nicht, weil die Leute mit dem zufrieden sind, was sie sehen. Lange hält sie es bei dem Theater nicht aus und läuft weg.

Sie findet ein neues Engagement in einem Theater, das als Wanderbühne durch Städte und Dörfer tingelt. Dabei kommen weitere Elemente ihres Kunstverständnisses zur Geltung. Improvisation ist verboten, sie darf keine eigenen Elemente in ihre Rolle hineinlegen. Sie ist etwas zufriedener als bei ihrem ersten Engagement.

Außerdem macht sie einen Unterschied aus. Das Publikum in der Großstadt unterscheidet sich von dem der Dörfer. Das Großstadtpublikum scheint nicht mehr zu Emotionen in der Lage, wohingegen das Landpublikum sich ganz auf die Stücke einlässt, sie für real hält und Mitleid empfindet.

 

Das Leben als Schauspielerin ist allerdings auch nicht so einfach, wie es scheint. In Gießen wird sie zum Beispiel einfach hinausgeworfen. Ein gesichertes Einkommen hat sie wieder nicht. Das Leben als Künstlerin ist kaum sicherer als das Leben, das sie zuvor hatte.

In Frankfurt findet sie ein neues Theater, dem sie sich anschließen kann. Dort zeigt sich, dass sie auch in diesem Beruf nicht davor geschützt ist, sich verkaufen zu müssen. Von den Künstlerinnen wird verlangt sich nach der Aufführung mit den Gästen zusammenzusetzen und diese zu unterhalten. Im Gegensatz zu ihren Kolleginnen ist Dagny nicht dazu in der Lage den Herren irgendwelche erfundenen Geschichten über sich zu erzählen.

 

Ihre nächste Station ist ein Varieté in Budapest, wo sie singt. Dagny betont, dass ihre Kolleginnen die Gage nur als Taschengeld ansehen. Die Prostitution oder das Umgarnen der Männer ist demnach wieder der Hauptberuf der Frauen, die dort arbeiten.  

Die Kellner in diesem Varieté sind nichts anderes als Kuppler oder Zuhälter, die eine Provision kassieren und die Frauen vermitteln. Die Kellner haben außerdem die Macht Entlassungen zu bewirken.

Dagny hält die Situation nicht mehr aus und erkrankt. Die Krankheit verschlimmert sich stetig, doch die Ärzte wissen nicht, was ihr fehlt.

Dagny ist von ihrem eigenen Tod überzeugt, will aber eigentlich in diesem Moment nicht sterben, obwohl sie es sich vorher gewünscht hat. Auf ihrem Grabstein soll stehen: „Hier liegt unfreiwillig Dagny“, damit jeder sieht, dass sie nicht aufgegeben hat.

Sie muss schließlich gehen und kann auch reisen, obwohl sie sich dem Tode nahe fühlt. Sie fährt zu ihrer Mutter und freut sich darüber, dass sie dieses Ziel noch hat. Bei ihrer Mutter ist sie wieder am Ausgangspunkt ihrer Reise angekommen, ohne irgendwann ein Ziel erreicht zu haben. Sie gesundet nur langsam, bis zum Ende des Buches nicht vollständig. Es ist klar, dass es ihre Psyche ist, die erkrankt ist, nicht ihr Körper. Die Ärzte haben ihr ihre robuste Gesundheit bescheinigt.

Die Mutter hatte sie vor Gitter, Gosse und Ginster gewarnt, also vor Gefängnis, Prostitution und Wahnsinn. Im Gefängnis war Dagny nicht, Prostitution und psychische Krankheit hat sie.

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