Die Geschichte hat zwei alternierende Handlungsstränge – ein Handlungsstrang spielt im Grantchester (in der Nähe von Cambridge, England) der Gegenwart. Der zweite Handlungsstrang spielt am selben Ort, jedoch in den 40er Jahren. Protagonistin des ersten Handlungsstrangs ist die Künstlerin Alice, die dem dunklen Geheimnis um Ginny, der neuen Freundin ihres Ex-Freunds, auf die Schliche kommt. Protagonist des zweiten Handlungsstrangs ist Daniel, ein junger Dozent an der Universität, der eine wunderschöne, junge Frau nach einem vermeintlichen Suizidversuch aus dem Fluss zieht und dessen Leben sich aufgrund dieser schicksalhaften Begegnung von Grund auf verändern soll.Während der Handlungsstrang um Alice von Anfang an spannend und fesselnd ist, fand ich den Handlungsstrang um Daniel anfangs eher weniger interessant und teilweise verwirrend. Manchmal habe ich mich darüber geärgert, wenn die spannende Geschichte um Alice' abrupt unterbrochen und eine Sequenz des zweiten Handlungsstrangs eingeschoben wurde. Letztendlich wird der Leser durch die alternierenden Handlungsstränge nur noch mehr auf die Folter gespannt und je mehr man sich in das Buch einliest, desto schwerer fällt es einem, es wieder aus der Hand zu legen. Wird erst einmal deutlich, in welcher Weise die beiden Handlungsstränge miteinander verbunden sind, wird auch der zweite Handlungsstrang richtig spannend. Die Sprache ist sehr einfach, weshalb ich den Roman recht schnell ausgelesen hatte. Die Erzählzeit ist viel kürzer als die erzählte Zeit, was u. a. daran liegt, dass nur sehr wenige Beschreibungen oder gar Redundanzen enthalten sind. Einige Stellen waren für die Gesamthandlung eher unwichtig und daher empfand ich sie als unnötig, aber rückblickend kann ich sagen, dass es nur wenige Stellen gab, die mich gelangweilt haben. Im Großen und Ganzen fand ich das Buch sehr spannend und lebhaft, man muss sich also nicht mit endlos wirkenden, handlungsleeren Passagen herumschlagen. Die Vorhersehbarkeit der Geschichte hält sich in Grenzen, was mich angesichts der Tatsache, dass es sich um den Debütroman von Joanne Harris handelt, positiv überrascht hat. Meine Befürchtungen, dass es sich um einen Vampirroman im Stil der Bis(s) …-Reihe handeln könnte, haben sich nicht bewahrheitet. "Denk an mich in der Nacht" ist sehr erwachsen; die Protagonisten Alice und Daniel sind runde Charaktere mit Fehlern, die sie authentisch wirken lassen. Das Liebesthema rückt vor der spannenden Geschichte fast völlig in den Hintergrund.
Ein wenig dauere es bei mir, bis ich mich die Geschichte eingefunden hatte, was u. a. an dem holprigen Einstieg in den zweiten Handlungsstrang liegt. Danach wollte ich das Buch aber gar nicht mehr aus der Hand legen. Aus diesem Grund und weil es recht einfach geschrieben ist, hatte ich "Denk an mich in der Nacht" in nur wenigen Stunden (ca. eine Stunde pro Tag, verteilt auf 8-9 Tage) ausgelesen. Die Charaktere wirken authentisch und die Lebensumstände beider Hauptdarsteller sind realistisch. Da die fantastischen Geschehnisse um die Vampirgruppe in eine wirklichkeitsnahe Rahmenhandlung eingebettet sind, driftet der Roman nicht zu weit in Fantasy-Gefilde ab und man kann sich eher mit den Geschehnissen identifizieren. Weniger gut finde ich wie bereits erwähnt den holprigen Einstieg in den zweiten Handlungsstrang. Anfangs ärgerte ich mich darüber, dass die von Anfang an spannende Geschichte um Alice immer wieder von teils zusammenhangslos wirkenden Fragmenten der Geschichte um Daniel Holmes unterbrochen wurde. Als ich entdeckte, in welcher Weise die beiden Handlungsstränge verwoben sind und als die Geschichte um Daniel Holmes immer mehr an Kohärenz gewann, störte ich mich auch nicht mehr an der alternierenden Handlungssträngen.Für sehr junge Leserinnen ist das Buch nicht empfehlenswert. Das Buch ist zwar nicht pornografisch, aber Sexualität wird in einer Weise dargestellt, die zartbesaitete Gemüter erschrecken könnte.Insgesamt fühlte ich mich gut unterhalten und bin der Meinung, dass sich dieser Roman von der breiten Masse der zur Zeit so populären Vampirromane abhebt. Ich empfehle den Roman jedem weiter, der wirklichkeitsnahe Romane mit fantastischen Elementen mag und keinen Kitschroman oder "Teenie"roman lesen möchte. Entgegen des eingangs zitierten Kommentars von der Rückseite des Buchs handelt es sich NICHT um einen Liebesroman, da die Liebe eher in den Hintergrund rückt.
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