Der alte König in seinem Exil
Ein sehr berührendes Buch über einem alten Menschen, der zunehmend immer mehr an Demenz erkrankt und dessen Kinder und seine Frau damit nicht richtig umgehen können. Seine Frau hat sich schon lange von ihm abgeseilt, da sie auch schon zu Glanzzeiten der Ehe nicht so richtig klar gekommen sind. Jetzt ist ihm noch ein Sohn geblieben, der über die letzte Zeit seines Vaters schreibt, ohne dass der vater schon gestorben ist, denn er lebte noch zu Zeiten , als das Buch geschrieben wurde. Eins sehr gutes Buch, wo man sich vorstellen kann, was alles mit einem Menschen passiert, wenn man nicht Herr seiner Sinne ist. Da vergisst man nicht nur die Autoschlüssel, sondern man wacht jeden Tag auf und weiß nicht, wer da in sein Zimmer kommt, man kennt die ganzen fremden leute nicht. Eine junge Frau hat es geschafft, zu dem Vater ein gutes solides Verhältnis aufzubauen, sie war eine Pflegekraft, die ihn immer so genommen hat, wie er wirklich war mit all seinen Ecken und Kanten, keine andere Pflegekraft ist so mit ihm ausgekommen, bis er ins Pflegeheim musste, obwohl es sich der Sohn nicht einfach gemacht hat, er wollte nur das beste für seinen Vater. Aber ihn hat das auch sehr zu schaffen gemacht, dass er ihm nicht helfen konnte. August kennt sich nicht mehr aus, er verliert sich immer mehr und er weiß nicht mehr, was Wirklichkeit und was nur Vorstellung ist. Ein besonderes Ereignis war, als August von seiner Schwester betreut wird, er sagt, er will endlich nach Hause gehen, er hat es satt, hier herum zu sitzen. Die Schwester sagt, wir wohnen doch hier, er sagt nein, sie sagt ihm den Straßennamen, er sagt, nein, er will nach Hause. Sie gehen nach einigen Hin und Her nach draußen vor sein Haus und da sagt die Schwester, August, hier wohnst du, nein, sagt er , hier wohne ich nicht. Nach einigen Hin und her sagt er dann, ja, wenn du sagst, dass ich hier wohne, da wird es schon stimmen! Das hat mich sehr bedenklich gemacht, denn er wusste ja scheinbar gar nix mehr, was noch von ihm war oder was ihm mal irgendwas bedeutet hat. Arno Geiger, der Schreiber und Sohn des Protagonisten erzählt auch viel von seiner Kindheit und von der Ehe seines Vaters und dessen Kriegserlebnisse in einer recht anschaulichen und nicht übertriebenen Art und Weise, dass man gern weiter liest. Als dann der Tag gekommen ist, als Arno nicht mehr mit seinem Vater zurecht kommt, beschließt er , ihn in seinem Heimatort, in Wolfurt, in eine Altersheim zu geben, schweren Herzens, aber er macht das ja auch für seinen beruflichen Werdegang. Denn zu jener Zeit wird er als Autor immer prominenter und muss oft tagelang verreisen. Als er nach einigen Tagen ins Heim kommt, muss er feststellen, dass sein Vater ihn wieder nicht erkennt, das er aber schon einen Freund gefunden hat, Ferde, auch ein älterer Mann. Er beschreibt, dass man ihnen zwar nicht zuhören kann, was sie sich so alles erzählen, aber für die alten Menschen macht es wohl Sinn. Er ist auch schockiert, wie sie manchmal untereinander kommunizieren, als nämlich zwei Frauen am Nebentisch dauernd wegwollten, da hat Ferde immer seinen Senf dazu gegeben und es hat zwar keinen Sinn ergeben, aber es war ok. Das muss man wahrscheinlich erst mal begreifen, dass vieles an einer Unterhaltung mit demenzkranken an Gewöhnung bedarf, dass nichts so richtig Sinn ergibt. Zum Beispiel eine Unterhaltung von Arno mit August, August will nach Hause gehen, Arno schreibt noch an seinem Laptop, er will aber gehen, als Arno sagt, er kann nicht, sagt August, das er jetzt alleine losgeht, nach ein paar Minuten rastlosen Umherziehens im Haus kommt er wieder zu Arno, da sagt Arno, dass er gleich mitkommt, wenn August ein wenig warten würde, da freut sich August und bedankt sich bei seinem Sohn, dass er das wirklich machen will, dass er ihn begleiten will.
Ein sehr beeindruckendes Buch, was ich sehr gern gelesen hab, auch wenn es mich schon auch an manchen Stellen beängstigt hat, denn ich hab dadurch viel mehr Angst vor dem Älterwerden bekommen und auch vor der Demenz, denn wenn man der Krankheit immer noch nicht viel abgewinnen kann, hofft man doch mal, dass es mal irgendwie Medikamente oder so geben könnte, dass man der Krankheit Herr wird. Ich habe sehr viel Hochachtung vor vielen Angehörigen, die tagaus, tagein sich um ihre kranken, alten Eltern kümmern, ohne dass sie an die Öffentlichkeit damit gehen, wie gewisse Prominente.
So nimmt Arno verwundert wahr, dass sein Vater trotz allen Vergessens, trotz aller Verwirrtheit, Worte und Sätze in einer Poetik kreiert, um die er ihn beneidet. Es wird klar, dass ein Mensch erst zu dem wir, was ihn so reich macht, sein leben, egal ob er Demenz hat oder nicht. Und dass es denjenigen ausmacht, egal, wie alt und krank ein Mensch ist kurz vor seinem Tod und es egal, wie die letzen Jahre seines Lebens immer noch lebenswert sind, egal ob in eigenem Kindeshaus oder im Altersheim oder sonst wo. Hauptsache, das Leben ist noch lebenswert und das ist Arno gelungen, so ein sanftes Buch zu schreiben, was wahrscheinlich noch viele Jahre zutreffen wird, egal, wie weit die Forschung die Demenz erforscht.
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