Im Reigen der Eintagsfliegen finden sich 20 höchst unterschiedliche "Gute-Nacht-Geschichten", die sich am besten unter einem Aphorismus von Edgar Allan Poe zusammenfassen lassen: Wer am Tag träumt, wird sich vieler Dinge bewusst, die dem entgehen, der nur nachts träumt. Der Autor selbst hat es so formuliert: "Die Unzulänglichkeiten unserer Wahrnehmungsfähigkeit werden uns nur in seltenen Fällen bewusst. Doch hinter dem Vordergründigen unserer Alltagswelt, wo sich der Geist "verworren, kalt, verquält in dumpfer Sinne Schranken", verbergen sich andere Welten, die uns verdeutlichen, wie kläglich wir uns mit unserem Potenzial abmühen - wären da nicht die verdrängten "Liebesboten, die verkünden, was ewig schaffend uns umwallt..."
Abraxas: Die Geschichte von der Entstehung des Universums, die uns an die Grenzen unserer Phantasie führt und die Frage stellt, wie wir damit zurecht kommen wollen - und können.
Pommerland: Es sind die Kindheitserfahrungen des Bernhard Kosel, alter ego des Autors während des Zweiten Weltkriegs in einer deutschen Großstadt. Am Ende steht die Erkenntnis über die Sinnlosigkeit machtausübender Ideologien und deren Folgen.
Aufforderung zum Tanz: Die unerwartete Auffindung eines längst verschollenen Abschiedsbriefs lässt Bernhard Kosel über eine offensichtlich vorhandene Parallelwelt sinnieren. Er ist fasziniert von der Idee, die Zusammenhänge der vielen Wirklichkeiten mit dem Tun und Treiben der Menschen zu synchronisieren, wohl ahnend, dass er dabei leicht den Verstand verlieren könnte. Am Ende siegte die Neugier.
Von Narren und Träumern: Ob denn die Narrheit zum Ursprung der Weisheit hinführt? Bernhard Kosel fragt sich, ob man Narren braucht und was diesem vom Weisen unterscheidet.
Abendland: Drei Frauen, die die mythischen Nornen der nordischen Götterwelt verkörpern, unterhalten sich am Rande einer Konferenz über die Eitelkeiten menschlicher Geisteswelten, deren Bemühungen eher einer Form intellektueller Masturbation ähneln, als dass sie die Menschheit im Verlauf ihrer Existenz entscheidend vorangebracht hätten. Es ist eher die Welt im Kleinen, die der Seele wohltut. Aber da draußen, da existiert noch eine andere.
Am Leinritt: Die drei Frauen machen sich mit ortskundiger Führung auf einen Spaziergang entlang des Flusses und unterhalten sich dabei über die Schwierigkeit, das menschliche Dasein ohne Furcht voreinander gestalten zu können. Auf den Spuren E. T. A. Hoffmanns geraten sie in ein Unwetter, bei dem sich die Grenzen zwischen Realität und Phantasie verwischen. Szenen im Bamberger Lokalkolorit.
Mensch und Natur: Die Ich-Erzählung spielt ebenfalls in der Bamberger Szenerie: auf einem Bierkeller. Der Autor wird aus seinen Betrachtungen über Stadt und Natur durch ein so unerwartetes Gespräch aus seinen Tagträumen aufgeschreckt.
Märchenland: Inspiriert von einem Künstlergemälde des phantastischen Realismus entstand eine Märchenerzählung über Liebe und Tod, Götter, Menschen und ihre unvereinbaren, aber immer wieder angestrebten Schicksalsverknüpfungen.
Das liebe Glück: Die immerwährende Suche nach dem Glück und der verwandten Glückseligkeit mit all ihren Illusionen, Sehnsüchten und realitätsfernen Egoismen lässt den Autor darüber nachdenken, wo wir denn erfolgversprechend ansetzen könnten. Mit überraschendem Ergebnis.
Morgenland: Unser Bild vom Orienr, wie wir es aus unseren Kindertagen kannten, hat sich inzwischen grundsätzlich verändert. Was aber geht in den Köpfen einer irakischen Familie vor sich, die ihren Sohn an eine Ideologie verliert? Die rekonstruierte Geschichte eines "Gotteskriegers" führt den Leser in eine, dem westlichen Gedankengut fremdes Szenarium, das inzwischen zum Alltag wurde. Aber ist es wirklich so fremd? Man entdeckt ungeahnte Ähnlichkeiten in unserer "Kulturlandschaft" - und erschrickt.
Rauchzeichen: Das Volksbegehren für das "absolute" Rauchverbot weckt bei dem Autoren die Erinnerung an eine andere, historische "Volksabstimmung" mit verheerenden Folgen. Aber es war ja nur ein Alptraum...
Männlein oder Weiblein: Die so lange geheim gehaltene These von der weiblichen Seite Gottes findet dieser Tage Beachtung durch Ausstellungen und Vorträge, sie provoziert jedoch auch teils humoristische, teils ärgerliche Reflexionen über unseren Umgang mit der Verquickung von Glauben und Wissenschaft und den daraus resultierenden Absurditäten.
Das Straßenfest: Ein bürgerliches Straßenfest im Umkreis eines renommierten Künstlerhauses verführt drei unterschiedliche Charaktere im Laufe eines feuchtfröhlichen Abends zu einer angeregten Diskussion über das Wesen der Kunst und die der "modernen" im Besonderen. Der Ausgang ist - wie könnte es anders sein - ungewiss. Eine nicht ganz ernst zu nehmende Erzählung im Bamberger Lokalkolorit.
Hinter dem Horizont: Über die begrünten Hügel im Süden der Stadt rinnt das flimmernde, bleiche Licht des Mondes den Steilhang hinab und füllt die Täler mit ihren stillen Gärten wie einen geheimnisvollen, tiefen See. An einem solchen Abend trifft der Autor sein alter ego und beide verwickeln sich in ein Gespräch über verschiedene Realitäten der Wahrnehmung und über die Hoffnung. Es sind jene seltenen Momente, die uns mit einem leisen Hauch von Ahnung an den Rand einer anderen, vielleicht bedeutenderen Wirklichkeit führen, uns jedoch grausam das tiefere Eindringen verweigern...
Zarah: Seltsam, wie manchesmal längst vergessen geglaubte Personen, Ereignisse und Reminiszensen wieder ganz lebendig vor uns auferstehen und einen regelrecht vereinnahmen. Am Beispiel einer künstlerischen Darbietung der Sängerin Zarah Leander folgt ein Exkurs über die Bedeutung der Lüge und deren Verkennung als moralische Instanz.
Traumland: Was hindert den Menschen nicht zuweilen alles am Einschlafen! Was alles dem Autor dabei durch den Kopf geht und wie er damit umzugehen vermag, das ist alles leichter gesagt als durchgestanden.
Lebenshilfe: Der Zeitgenosse wird mit Kommentaren zum Weltgeschehen und darüber, wie er das alles zu verarbeiten hätte, regelrecht überschüttet. Insbesondere die Kirche betätigt sich herausragend bei der Erteilung von "Lebenshilfen", die den Menschen irrtümlich in das Zentrum des Universums stellt. Bezeichnenderweise hat es der homo sapiens trotz usurpiertem mystischem Sonderstatus immer noch nicht geschafft, seinen eigenen Ansprüchen gerecht zu werden. Aber immerhin auch (noch) nicht sich selbst den Garaus zu bereiten, wenngleich er zu dieser Variante deutlich mehr Effizienz entwickelt hat...
Gaudeamus igitur: Die südländische Leichtigkeit des Seins, das rossinihafte, beschwingte, intuitiv hervorsprudelnde Jauchzen einer unbekümmerten Lebenstrunkenheit, sie liegt nicht in unserer Natur. Bernhard Kosel macht Inventur über die Welt, wie sie sich ihm heute darstellt. Optimismus, der sich laut Sir Peter Ustinov auf einen Mangel an Information gründet, hat darin keinen Platz. Treiben uns demnach eine überbordende Informationsflut und unser unterstellter Bildungshunger in die Schwarzseherei?
Vor der Himmelstüre: Der Hausmeister des Künstlerhauses war allein zurückgeblieben wie ein einsamer Halm, den der Schnitter übersehen hatte...Aber nun war er selbst an der Reihe. Er verschafft sich Zutritt zur Himmelspforte, wo er zusammen mit einem dahingeschiedenen Manager vor dem gestrengen Pförtner Rechenschaft über sein Leben ablegen soll. Es entsteht ein amüsantes Streitgespräch zwischen den so verschiedenen Charakteren, das erahnen lässt, mit welchen ungeahnten Unverträglichkeiten das angestrebte, harmonische Frolocken zu kämpfen hätte. Der Diskurs geht über in die ewige Suche nach einer "Weltformel" und die Freiheit des Geistes.
Der Rosenbaum: Gibt es sie, die romantische, lebenslängliche Liebe? Ja, aber nicht dort, wo wir sie vermuten: Auf der Schwelle zwischen Todeswunsch und dem gerade-Noch-Verbleiben. Es ist die unerfüllte Liebe. Eine zu Herzen gehende Liebeserklärung an ein Traumbild schließt die Erzählung mit den Worten: Die Nacht stieg ungerührt herauf mit ihrem Silbermond und ihren tausend Sternenlichtern. Und eines von ihnen, das schönste von allen, fiel herab auf die Erde.
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